Anmerkungen zu Schärer 100 Bilder
Der Maler Christian Schärer (geb. 1940) präsentiert im Internet eine Auswahl seines Lebenswerks, das abseits von Galerie- und Kunstbetrieb entstanden ist. Die nachfolgenden Gedanken sind ein Versuch, Schärers Malerei, mit der ich seit Jahren vertraut bin, zu würdigen.
Die ausgestellten Bilder sind unverkennbarer Ausdruck einer Persönlichkeit, die sich mit Leidenschaft der Macht der Farben verschrieben und eine eigenständige Bildwirklichkeit hervorgebracht hat.
Was stellen die Bilder dar?
Es sind keine Abbilder oder Illustrationen, sie erzählen keine Geschichten, sie genügen sich als Kompositionen aus Formen und Farben. Zwar ist es möglich, in dem einen oder anderen Bild eine Landschaft, ein Interieur oder Stillleben zu sehen, aber Bezeichnungen dieser Art sind unzureichend und führen nicht weit. Deshalb möchte ich, in Anlehnung an den physikalischen Begriff des elektromagnetischen Feldes, als adäquatere Charakterisierung den Ausdruck «Farb-Energie-Feld» vorschlagen. In den Werken von Christian Schärer entsteht durch das Zusammenspiel von Farben und Formen eine Gesamtwirkung, sozusagen ein energetisch aufgeladener Farbklang. Zweifellos ist für ihn die Musik eine wesentliche Inspirationsquelle.
Die Sammlung der in den Jahren 1976 bis 2023 entstandenen Bilder zeichnet sich durch eine grosse Variantenvielfalt aus.
Man entdeckt Werke von geradezu wilder Expressivität. Die Farben sind zu einem dynamischen Geflecht verwoben: ein veritabler koloristischer Aufruhr. Durch den lasierenden Auftrag der Ölfarben ergeben sich mehrschichtige Überschneidungen, die besondere Farbeffekte und eine räumliche Wirkung hervorrufen. Man ahnt, dass sich hier ein Akt der Befreiung vollzieht, der jedoch unter der Kontrolle von Intellekt und hohen ästhetischen Ansprüchen bleibt.
Daneben gibt es auch Beispiele, wo die Befreiung locker und freudig gelingt, die Farben sich wie ein Feuerwerk ausbreiten oder kaleidoskopisch einen Tanz auf der Leinwand vollführen. In anderen Bildern wiederum werden eher statische, architektonische Elemente ins Spiel gebracht.
Im Gegensatz zu den Werken voller Bewegung stehen die Bilder, die zu ruhiger, kontemplativer Betrachtung einladen. Die Bildfläche wird in einfache Formen gegliedert, und die grossen Felder enthalten wenige, meist satt aufgetragene Farben. Zu dieser Gruppe gehören auch einige frühere, dunkle und melancholische Bilder, deren Farbflächen nicht klar begrenzt werden, sondern fliessend ineinander übergehen.
Durch den Wechsel zur Acrylmalerei, um das Jahr 2005, entstehen vermehrt Bilder, in denen die starke Emotionalität einer heiteren Gelassenheit weicht. Es sind lichtvolle, farbenfrohe Variationen, in denen das Gleichgewicht von Farben und Formen behutsam angestrebt wird, ohne dass die erwähnte Mehrschichtigkeit und die räumliche Tiefe der Ölbilder verlorengehen.
Was motiviert einen Maler, sich jahrzehntelang in der Zurückgezogenheit intensiv der Malerei zu widmen?
In unseren Gesprächen über seine Bilder stellt Christian Schärer immer wieder die zentrale Frage: WAS IST EIN BILD?
Dazu sagt er: Die Suche nach der Antwort begleitet mich, seit ich mich mit Malerei beschäftige. Manchmal glaube ich, mit einem bestimmten Bild eine Antwort gefunden zu haben. Aber dann taucht die Frage erneut auf und treibt mich zur weiteren Suche an.
Juni 2023, Silvio Crola